Die Wiederbelebung der amerikanischen Sitcom mit Roseanne Barr ist von recht eindeutigem politischem Zuschnitt. Aber trägt sie damit etwas zur Diskussion im polarisierten Land bei?
«Roseanne» ist wieder da. Zwei Jahrzehnte TV-Pause sind nahezu spurlos an der Sitcom vorübergegangen. Kühlschrank, Küchentisch, die Couch mit der altmodischen Häkeldecke – im Haushalt von Familie Connor sieht es immer noch aus wie 1997, als die Serie eingestellt wurde. Auch Roseanne Connor (Roseanne Barr) und ihr Ehemann Dan (John Goodman) führen immer noch ein Leben zwischen Arbeitslosigkeit und Prekariat, ohne ausreichende Sozialversicherung. Ihre Kinder sind in der Zwischenzeit erwachsen geworden und kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz. Sie sind Anfang vierzig, arbeitslos und alleinerziehend, kellnern in einer Bar oder dienen in der Armee.
Die prekären Lebensumstände der Familie liefern erneut das Rohmaterial für die Lacher: Voller Schadenfreude eröffnet etwa Darlene (Sara Gilbert) ihrem Bruder D. J. (Michael Fishman), er leide weder an einer Hunde- noch an einer Meeresfrüchteallergie. Sie hätten sich das bloss nicht leisten können.
Vom Tod wiederauferstanden
Fast die komplette Besetzung nimmt ihre Rollen in der neuen Staffel von «Roseanne» wieder ein. Das erfreut nicht nur Nostalgiker, wo profilierte Schauspieler wie John Goodman oder Laurie Metcalf («Lady Bird») wieder mit von der Partie sind. Der Erzählung fehlt es manchmal schlicht an Finesse. Dan Connor, der in der letzten Staffel noch den Serientod gestorben ist, weilt zu Beginn der neuen Staffel plötzlich wieder unter den Lebenden. Er habe geschlafen, sein Tod sei bloss ein Traum gewesen, lautet jetzt die Devise.
Für den zum Disney-Konzern gehörenden TV-Sender ABC hat sich die Neuauflage der Sitcom, die bereits zwischen 1988 und 1997 von ABC ausgestrahlt wurde, trotzdem gelohnt. 18,4 Millionen schauten sich die Premiere an. Das ist ein Riesenerfolg für eine analog ausgestrahlte Sitcom in unseren an hochstehenden TV-Produktionen nicht armen Zeiten. Eine zweite Staffel von «Roseanne» ist bereits in Planung.
In den neunziger Jahren machte sich Barr vor allem durch ihre Darstellung einer Hausfrau aus der Arbeiterschicht, die so gar nicht dem TV-Klischee entsprach, einen Namen: Übergewichtig, überarbeitet, versuchte sie ständig Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Heute geht es vor allem um ihre politische Ausrichtung. In den letzten Jahren hat sich die Schauspielerin zu einer lautstarken Unterstützerin von Donald Trump gewandelt und verbreitet, wie der Präsident selbst, schon einmal obskure Verschwörungstheorien über Twitter.
Trump bringt «Leben in die Bude»
Nun hat auch die Roseanne in der Serie Trump gewählt. Nicht weil sie sich etwa zu einer konservativen Republikanerin gewandelt hat, sondern weil er Jobs schaffe und «Leben in die Bude bringe», wie sie ihrer Schwester Jackie erklärt, die ihrerseits Hillary unterstützt hat («liar, liar pantsuit on fire», nennt Roseanne Clinton). Trump und die Wahlen 2016 sind vor allem in der ersten Folge Thema. Jackie steht mit pinkfarbenem Pussy-Hat und Nasty-Women-T-Shirt in der Türe. Die Schwestern betiteln sich selbst als «deplorable» oder «liberal snowflake», die sonst eher im Kontext der Alt-Right-Bewegung zu hören sind.
Die Serie reflektiert hier die Absicht vieler Wähler, die Trump nicht aus ideologischen Gründen gewählt haben, sondern in der Hoffnung, er bringe Veränderung und eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation. Trotzdem will «Roseanne» keine politische Sitcom sein. Sara Gilbert, Darstellerin der Darlene und eine der Produzentinnen der neuen Staffel, betonte, es gehe in der Serie nicht um Politik, sondern darum, was mit einer Familie angesichts der zunehmenden Spaltung des Landes geschehe.
Ganz mag man ihr diese Beteuerung nicht abnehmen. Zumal der Präsident von ABC den Erfolg von «Roseanne» auf eine Initiative des Senders nach der Wahl 2016 zurückführt, als man das Programm für die zuvor wenig beachtete weisse Arbeiterschicht forcierte. Trumps Wähler sind nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen interessant. Ihre Themen polarisieren. Das wirkt sich positiv auf die Einschaltquoten aus, die wichtigste Währung im hart umkämpften TV-Markt.
«Roseanne» trifft jedenfalls einen Nerv. Angesichts des Umstands, dass Trump Barr nach der Premiere persönlich zu ihrem Erfolg gratulierte, fragt man sich, ob die Serie es auf ihre Weise schafft, einen Diskussionsbeitrag im polarisierten Land zu leisten. Dies gelang der Sitcom tatsächlich in den neunziger Jahren. «Roseanne» erhielt Lob für die Darstellung einer Arbeiterfamilie und für den ersten lesbischen Kuss in einer Serie. Die Neuauflage scheint sich dagegen in einer Aneinanderreihung von Schlagworten zu erschöpfen. «Roseanne» bedient so eher bereits bestehende Echokammern, als Vorurteile und Stereotype durch Humor aufzubrechen.
Der Text ist zuerst am 2. Mai 2018 in der NZZ erschienen