Mit der Mentalität der Schokoladentorte

Die Habsburgmonarchie gehört auch heute noch zum Wiener Selbstverständnis. Der TV-Zweiteiler «Das Sacher. In bester Gesellschaft» ist ein Film für Wien-Versteher – und solche, die es werden wollen.

«Diskretion ist das oberste Gebot eines Portiers. Niemals dürfen Gäste mit schlechten Nachrichten belästigt werden», sagt der Portier des Hotels Sacher. Mit seiner Devise ist ihm allerdings kein grosser Erfolg beschieden. Im Film «Das Sacher. In bester Gesellschaft» häufen sich in den Separees und Zimmern des Wiener Traditionshauses Skandale, Intrigen und viel Herzschmerz. Da muss etwa ein nackter und betrunkener Erzherzog vor den Blicken der Gäste geschützt werden, oder es wird versucht, uneheliche Kinder zum Verschwinden zu bringen.

Opulentes Kostümdrama

Zum zweiten Mal nach «Das Adlon. Eine Familiensaga» (2013) nimmt sich das ZDF der Geschichte eines europäischen Luxushotels an und zeigt Mitte Januar den gemeinsam mit dem ORF koproduzierten Zweiteiler. Regie führte Robert Dornhelm, Österreicher mit Hollywood-Erfahrung, der schon verschiedentlich historische Stoffe verfilmt hat. Vor dem Hintergrund historischer Ereignisse wie der Ermordung der österreichischen Kaiserin Elisabeth 1898 in Genf oder dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs spielt sich nun in zwei abendfüllenden Filmen eine mehrere Jahrzehnte dauernde Affäre zwischen einem Berliner Verlegerpaar und einer österreichisch-ungarischen Adelsfamilie ab. Parallel dazu wird erzählt, wie die verwitwete Anna Sacher ihr Hotel zu einem der beliebtesten Treffpunkte der k. u. k. Elite aufbaut, zu einer Zeit, da sich Europa unaufhaltsam auf den Kriegsausbruch zubewegt. Die «Sacher»-Chefin und der Hotelportier beruhen auf historischen Figuren, der Rest ist fiktiv.

«Das Sacher. In bester Gesellschaft» ist ein opulentes Kostümdrama, süss wie ein Stück der gleichnamigen Schokoladetorte. Auch renommierten Film- und Theaterschauspielern wie Simon Schwarz, Peter Simonischek oder dem Nachwuchstalent Jasna Fritzi Bauer gelingt es aber leider nicht, den Film vor seichten Untiefen zu schützen. Regisseur Dornhelm hat die teilweise an Originalschauplätzen im «Sacher» gedrehte Geschichte mit viel Weichzeichner, Kitsch und Klischees aufwendig inszeniert. Neben vielen Handküssen muss etwa auch die Wiener Kaffeekultur oder der Wiener Schmäh herhalten, um typisch österreichische Merkmale einzelner Figuren zu kennzeichnen.

Vor allem k. u. k. Nostalgiker kommen bei diesem Film auf ihre Kosten. Kaffeehäuser, Walzer, Kaiserin Sisi und nicht zuletzt das Hotel Sacher sind seit Jahren wichtige Wirtschaftsfaktoren in der österreichischen Hauptstadt. Da verwundert es wenig, dass die Habsburgmonarchie auch heute noch zumindest teilweise zum Wiener Selbstverständnis gehört. Schlechte Nachrichten passen da kaum ins Konzept. Der eingangs zitierte diskrete Hotelportier trifft die österreichische Mentalität schon ziemlich genau.

Forcierte Aktualitätsbezüge

Der Film nimmt aber auch Anleihen bei der neueren österreichischen Geschichte, diese wirken allerdings etwas irritierend und konstruiert. In einem weiteren Handlungsstrang wird eine junge Wäscherin des «Sacher» entführt und mehrere Jahre in den Gängen der Wiener Staatsoper gefangen gehalten, bevor sie bleich und mit tiefen Augenringen an der Réception des Hotels Sacher auftaucht und ein dunkles Familiengeheimnis mit sich bringt. Die Entführung erinnert an Natascha Kampusch, deren achtjährige Gefangenschaft in einem Keller am Stadtrand von Wien eine Diskussion über die Wegschaumentalität in der österreichischen Gesellschaft auslöste.

Dabei würde «Das Sacher. In bester Gesellschaft» durchaus Stoff für mehr Tiefgang bieten. Die Geschichte ist in einer für Wien zentralen Epoche angesiedelt, während die Hauptstadt der Donaumonarchie zu einem der wichtigsten politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Zentren Europas wurde.

Die Wiener Moderne hat Maler wie Gustav Klimt, Egon Schiele, Architekten wie Otto Wagner und Alfred Loos oder Autoren wie Arthur Schnitzler hervorgebracht. Es war auch eine Zeit, in der das aufstrebende Bürgertum von der zunehmenden Industrialisierung der Donaumonarchie profitierte und sich an der durch die Schleifung der alten Stadtmauer entstandenen Ringstrasse representative Palais erbaute und im gleich daneben gelegenen «Sacher» verkehrte. Gleichzeitig ertönte immer lauter der Ruf verschiedener Minderheiten in der Monarchie nach mehr Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Diese Strömungen nimmt der Film zwar auf, vieles wird allerdings nur angeschnitten und bleibt an der Oberfläche.

Wer mehr Informationen über das Wien der Jahrhundertwende und die Geschichte des Hotels Sacher sucht, ist bei der anschliessenden Dokumentation «Die Königin von Wien – Anna Sacher und ihr Hotel» dagegen besser aufgehoben. Hier wird die «Sacher»-Chefin vor allem als geschickte Geschäftsfrau porträtiert, die nach dem Tod ihres Mannes zwar reüssiert, ihre Kinder wegen des Hotels allerdings vernachlässigt.

Gut fürs Geschäft ist dieser Zweiteiler in jedem Fall. Immerhin ist bereits im Vorspann ein Stück Sachertorte an prominenter Stelle placiert.

Der Artikel ist als erstes am 16.Januar 2017 in der NZZ erschienen

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